Von den Steinen auf dem Weg

In ganz melancholischen Momenten, von denen ich zurzeit nicht allzu wenig habe, frage ich mich selbst, warum immer mir so große Steine in den Weg gelegt werden müssen, warum nicht mal bei mir einfach alles glatt laufen kann? Mein Lebenslauf hat auffällig viele Ecken und Kanten und nicht selten musste ich regelrechte Harken schlagen, um dahin zu gelangen, wo ich hin wollte. Das ist nichts besonderes, kein Einzelfall und das ist mir in allen anderen, nicht melancholischen, Momenten auch bewusst. Aber eben nicht immer und in welcher Verfassung ich auch immer sein mag, ich schiele nur allzu gerne, leicht neidvoll, auf jene Menschen, bei denen zumindest die meiste Zeit ihres Lebens, alles relativ glatt läuft.

Von meinem schwierigen Gespräch mit der Professorin über meine Möglichkeiten eine Doktorarbeit zu schreiben, hatte ich bereits berichtet, auch davon, dass ich einen Masterstudienplatz für Sozialwissenschaften an einer sogenannten „University of applied sciences“ habe (besser bekannt unter FH). Letzteres stimmte mich, vor allem nach dem doch recht ernüchterndem Gespräch mit der Professorin, heiter. Seit meiner Rückkehr hatte ich mich nur darauf gefreut, endlich das Studium zu beginnen, um in 2 Jahren wieder vor eben dieser Professorin zu sitzen und ihr zu sagen, dass ich nun ganz frisch einen Master habe und mehr als bereit wäre für die Promotion – koste es was es wolle!

Ich war absolut guter Dinge. Ich habe einen 1er Durchschnitt im Diplom, gute Noten in Berlin für meine Ausarbeitungen zur qualitativen Forschung bekommen – ich bin gerüstet und motiviert, was soll da noch passieren? Immerhin war dieser FH auch schon mein Thema bekannt, da wir dazu verpflichtet waren eine Projektskizze mit der Bewerbung einzureichen – ich wurde angenommen, also ist doch alles gut!?

Leider ist diese „Alles ist gut Seifenblase“ bereits am Dienstag geplatzt. Dienstag war offizieller Vorlesungsbeginn. Von 8 Uhr morgens bis 17:30 Uhr Seminare, ohne längere Pause – gleich zweimal Seminare zur quantitativen Forschung (mein Hass-Fach). Aber auch da war ich noch motiviert, da beiß ich mich durch!

Die letzten beiden Seminare (3 Stunden!) fand das sogenannte „Projektseminar“ statt. Über 3 Semester hinweg soll in diesem Seminar an unserer Projektskizze gefeilt werden, bishin zur Masterarbeit. Klingt gut, kenne ich schon aus Berlin. Leider gibt es nur 2 Gruppen, in die wir von der FH eingeteilt wurden. Die eine Gruppe beschäftigt sich ausschließlich mit dem Thema Bildung, die Zweite läuft unter dem Oberthema „Gesundheit“, in diesen Bereich fällt jedoch auch Migration, mein Thema.

Wir sind nur 9 Leute in dem Seminar, während das andere überquillt. Professor A bei dem wir die ersten beiden Stunden haben stellt sich als Gesundheitswissenschaftler vor, mit dem Schwerpunkt „quantitative Forschungsmethoden“. Super denke ich mir, der fällt für mich wohl schon mal flach, vor allem, da er zugibt keine besondere Ahnung von Migrationsforschung, Rassismusforschung usw. zu haben. Meine Hoffnung liegen bei der Professorin B., die nach 1 1/2 Stunden endlich auftaucht. Sie ist Psychologin, Gesundheitswissenschaftlerin und sowohl mit der quantitativen als auch der qualitativen Forschungsmethode vertraut. Langsam wird´s eng für mich, denke ich mir, sage aber nichts.

Alle stellen nach und nach ihre Projekte vor. Typische Sozialarbeiter Projekte, nicht gerade mein Interessengebiet, aber dennoch höre ich gebannt zu, vor allem aber, weil ich mich frage, welche Projektskizze die Meisten eingereicht haben, da ihre Ideen alle so wage formuliert sind, als hätten sie sich das Thema gerade überlegt. Mich wunderts nicht, ich halte den Anspruch, vor dem Studium schon zu wissen worüber man seine Masterarbeit schreiben will sowieso für sehr fragwürdig, dennoch macht es mich stutzig, weil es eben eine Voraussetzung für die Aufnahme war.

Als Vorletzte bin ich an der Reihe. Ich habe ausser meiner Projektskizze eine weitere Idee, bin mir aber nicht sicher, ob ich diese verwirklichen darf, da die Regel lautet: „Keiner darf sein eingereichtes Thema komplett ändern, nur leichte Abweichungen werden akzeptiert.“.

Die Macht des Wortes –  Eine kritische Betrachtung des Begriffs „Mensch mit Migrationshintergrund“ im öffentlichen Diskurs und in ausgewählten Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit.

Als ich meinen Titel verkürzt wiedergebe, zieht Professor A seine Augebraue hoch. Mein erster Gedanke war, dass ihm bewusst wird, dass er von „Diskursanalyse“ als Gesundheitswissenschaftler und Vertreter der quantitativen Forschung wenig Ahnung hat und er sich fragt, wie er mich dabei unterstützen soll. Als ich jedoch fortfahre, meine Hypothese beschreibe, fällt er mir ins Wort. Was ich denn damit sagen wolle, was mir denn nicht an dem Begriff gefallen würde? Ich antworte, kurz und knapp. Ich bekomme nur ein Kopfschütteln und die Antwort: „Das finde ich nicht! Ich benutze den Begriff weiterhin!“ – Mein Argument, dass er dies ja tun könne und es nicht darum geht etwas zu verbieten, sondern für etwas zu sensibilisieren geht er nicht ein, auch nicht auf meinen Vorschlag sich erstmal meine Projektskizze anzusehen. Er fragt mich, ob ich mir das mal so überlegt hätte, das das rassistisch sei. Obwohl ich dies nicht einmal so gesagt hatte, gehe ich auf seine Frage ein, ich habe mehr als 4 Seiten Literaturverzeichnis (bei einer Projektskizze!) Fachliteratur, Forschungen, Artikel – alles dabei, ich nenne ihm auch mehrere Namen renommierter Soziologen, Philosophen und Erziehungswissenschaftler, aber er macht einfach nur dicht. Seine Kollegin Professorin B. bemüht sich ein wenig um Verständnis und wiederholt „Mantra artig“ die Begriffe „Zugehörigkeit und Identität“ . Meine zweite Idee wird überhaupt nicht mehr richtig begriffen und gleich abgewehrt.

Da saß ich nun, mit einem Thema, dass ich nicht wechseln darf, einer Änderung die nicht angehört wurde und 2 Professoren die weder gewillt noch wirklich kompetent sind, mir bei dieser Aufgabe beizustehen. Ein herber Rückschlag für mich, zumal ich, nach der Zulassung, davon ausgegangen war, mein Thema würde kein Problem darstellen. Meine Motivation ist dahin, alle anderen Themen, auch wenn es diese in ähnlicher Form schon 100mal gibt, wurden bejubelt, nur meines verissen.

Ja, ich weiss, mein Thema ist nicht angenehm, meine Hypothese gewagt, aber sie ist nicht sonderlich radikal, nicht wenn man sie mit den Aussagen von Leuten wie Mecheril, Heitmeyer oder Nghi Ha vergleicht. Benedikt Köhler von der Bundeswehruniversität München geht mit dem Begriff „Migrationshintergrund“ in einem Essay noch viel härter ins Gericht, als ich es jemals angedacht hätte. Vielleicht ist es mir desegen, ob dieser breiten Masse an Veröffentlichungen zu dem Thema, so unverständlich, warum gerade ich ständig an Professoren gerate, die mein Thema mit aller Macht nieder schmettern wollen, weil sie glauben, ich würde allen, und vor allem ihnen selbst, die sie diesen Begriff täglich mehrfach benutzen, an den Karren …. wollen.

Das ist jetzt die zweite Hochschule an der Professoren mein Vorhaben abblocken. Niemals allerdings mit wissenschaftlichen Argumenten, sondern immer nur mit Argumenten wie “ Ne, ich bin kein Rassist!“ oder „Das finde ich nicht! Das gefällt mir nicht!“ . Würde einmal jemand kommen und mir wissenschaftlich darlegen, warum mein Thema nicht gut sein sollte, würde ich vielleicht meine Meinung ändern, aber bei all dieser Gegenwehr aus dem sogenannten „akademischen Lager“ werde ich das Gefühl nicht los, dass ich mit meiner Annahme gar nicht so verkehrt liegen kann.

Ich werde also wie schon xmal zuvor, mir den Weg selbst freiräumen müssen, die Steine mühsam zur Seite schaffen, um das zu machen, wovon ich überzeugt bin – falls das hier ein Sozialwissenschaftler lesen sollte, der ebenso wie Professor A allein anhand meines Titels mein Thema zurückweisen kann, dann möge er oder sie sich bitte bei mir melden, vielleicht kann mir ja doch einmal jemand erklären, warum gerade mein Thema so „unnütz“ sein soll…

11 Kommentare

  1. christiangrotheer · Oktober 14, 2012

    Eine Idee eines absoluten „Un“wissenschaftlers an alle Studenten da draußen: Seit wann geht es an Universitäten darum alte Professoren mit noch älteren Ideen und Strukturen neuzuordnen? Eine Uni bietet eine Abschlussmöglichkeit – dieser Abschluss bietet die Möglichkeit einer Berufung nachzugehen. Aus genannten Gründen habe ich einen wichtigen Abschluss in meinem Leben fallen lassen und bin steinigere Wege gegangen, die sich finanziell nie rentieren werden, aber mein Herz weiter am Leben halten. Viel Glück auf wahren Wegen…

    • triodia · Oktober 14, 2012

      Es geht an Universitäten in erster Linie um zwei Dinge: Forschung und Lehre. Zu letzerem zählt die Möglichkeit einen Abschluß zu erwerben, der es einem ermöglicht einen höher qualifizierten Job zu finden. Darüber hinaus geht es aber eben auch um Forschung und darum, Dinge zu hinterfragen und Neues zu entwickeln. In beiden Fällen ist man als Student leider bis zu einem bestimmten Maße darauf angewiesen, dass man die Professoren überzeugt, damit diese einen unterstützen und einem letzten Endes zu einem ordentlichen Abschluß verhelfen. Es ist schön, dass du abseits der Uni etwas gefunden hast, das dich erfüllt. Das ist aber nciht für alle der richtige Weg. Es ist durchaus frustrierend, wenn man eine Idee hat, die man umsetzen möchte oder Teil einer akademischen Welt sein möchte und einem das dann verwehrt wird. Und das von Menschen, die einem unterstützen sollten und von denen man aufgrund ihres Amtes erwartet, dass sie im Bereich der Wissenschaft schon etwas weiter sind als man selbst.

      • christiangrotheer · Oktober 15, 2012

        Und dennoch passieren die Dinge, Abschluss hin oder her, Professoren und Titel hin oder her, längst überfällige Themen hin oder her und davon kann sich niemand freisprechen und das ist gut so… aber danke für die anregenden Worte 🙂

      • triodia · Oktober 15, 2012

        Sorry, hab das nicht ganz verstanden. Was passieren denn da für DInge? Außer das unprofessionelle Verhalten, das ninjaan hier beschrieben hat…

      • christiangrotheer · Oktober 15, 2012

        Was ist denn an dem Verhalten un professionell? Es zeigt aus meiner Sicht, dass da kein Zusammenkommen besteht und nicht, dass eine Seite richtig oder falsch liegt und ich denke nicht, dass die junge Dame, um die es hier geht, einfach nur gutes Zureden braucht und Bestätigung, aber dennoch ist jeder frei in seiner Entscheidung zu geben, was er/sie für richtig hält. Ich lege keinen Wert darauf wie ein Ar… rüberzukommen, aber ein Gutmensch bin ich auch nicht 🙂 und jetzt würde ich vorschlagen, die Diskussion auf eine andere Ebene zu bringen, da wir sonst den Platz hier meiner Meinung nach übermäßig viel einnehmen 😉 LG

      • triodia · Oktober 15, 2012

        Die Diskussion geht wohl wirklich zu weit. Aber so wahnsinnig professionell finde ich es echt nicht, wenn man jemanden auf Basis eines nicht mehr zu ändernden Exposes zu zulässt (wobei ninjaan dabei sicherlich Semestergebühren zahlen musste und evtl.einen anderen Studienplatz nicht angenommen hat) und DANACH bemerkt, dass es offensichtlich niemanden gibt, der das Thema betreuen kann oder will.

  2. triodia · Oktober 13, 2012

    Ach, Ninjaan, vielleicht sollten wir versuchen, dich doch noch in einer „normalen“ Uni unterzubringen. Vielleicht ist kritische Wissenschaft nichts für FHs? Die suchen vielleicht mehr nach Sachen die man als „applied science“ bezeichnen kann, die sich praktisch umsetzen lassen und nicht kulturelle und gesellschaftliche Konstrukte hinterfragen. Ich war ja nie an einer FH, aber die beiden Hochschulen, bei denen du bisher Pech hattest, waren doch FHs, oder nicht?
    Ich finde dein Thema immer noch schlüßig, notwendig und längst überfällig :*

  3. Ich♥Dich · Oktober 12, 2012

    Sei stolz auf dich und dein Thema und lass dich nicht unterkriegen. Ich weiß, dass du Wichtiges und Gutes dazu zu sagen hast. Du hast da Ahnung!
    Zeig ihnen allen, dass sie sich getäuscht haben! ❤

    • ninjaan · Oktober 12, 2012

      Danke mein Herz! Ich werde mein Bestes geben!

  4. nouniouce · Oktober 12, 2012

    Mach bloß weiter. Ich finde den Begriff „Migrationshintergrund“ unmöglich. Ich habe dazu nicht viel gelesen, bin einfach zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, habe von daher einfach „nur“ mehr ein Gefühl als eine verbindliche Haltung. Der Begriff entmenschlicht, ist technisch und steckt Menschen in Schubladen. Wir sind Menschen einer Welt. Dass es Grenzen gibt ist nicht natürlich und dass es Nationen gibt schon gar nicht. Es gibt für uns alle nur diese eine Welt, dieses eine jeweilige Leben und deshalb weg mit den Grenzen, weg mit den Nationen. Freiheit, Gleichbehandlung und Gleichberechtigung für alle Menschen ist das Ziel. Ich habe diesen Traum und ich glaube an ihn. Und Du bist irgendwie eine Mitstreiterin 😉 Danke.

    • ninjaan · Oktober 12, 2012

      Ich danke dir! Das ermutigt mich wirklich…manchmal zweifel ich nämlich doch schon an meiner Idee, meiner Sichtweise und es tut gut zu sehen, dass Andere verstehen worauf ich hinaus will und es ebenso sehen!
      Ich stimme dir in allem was du sagst absolut zu und bin somit tatsächlich eine „Mitstreiterin“ 🙂

Hinterlasse eine Antwort zu triodia Antwort abbrechen