Der lange Abschied Teil 1
Es gab eine Abmachung zwischen Yaya und mir, eher gesagt ein Versprechen. Er würde sich um meine Fotos aus der Westbank kümmern, noch während ich in Jerusalem bin, damit ich diese nicht mit zur Flughafenkontrolle nehmen muss. Das hatten wir schon Wochen vorher ausgemacht und Yaya hält seine Versprechen immer…
Als er jedoch etwas mehr als eine Woche vor meiner Abreise wieder von der Bildfläche verschwand, auf meine Nachrichten bei Skype nicht reagierte, kam ich ins Grübeln. Ich sicherte mich ab, bat eine Freundin sich ebenfalls ein Dropbox Konto einzurichten….nur für den Notfall. Ich schickte ihm vom Flughafen in Köln aus ein Foto – meine Abreise schien ihn nicht sonderlich zu interessieren und ich erinnerte mich wehmütig daran, dass er mir vor meinem Kurztrip nach Schottland im März in der Nacht vorher schrieb und ich, kaum war ich zuhause schon Nachrichten bei Skype erhalten hatte, ob ich gut angekommen sei – aber das war vor einem halben Jahr. Jetzt ist alles anders.
In Haifa hatte ich endlich einen Internetzugang, ich checkte FB und Skype – keine Nachricht. Ich wechselte sogar meine Simkarte, um zu sehen, ob er mir dort geschrieben hat. Hatte er nicht. Noch einmal kontaktierte ich ihn, ich sorgte mich langsam ernsthaft. Keine Reaktion. Zwei Tage lang checkte ich in regelmäßigen Abständen Skype und FB – aber es kam nichts. Am 3. Tag war ich nur noch wütend und fasste den wilden Entschluß ihn zu blockieren, überall! Dieses ewige Warten macht mich k rank – worauf warte ich eigentlich? Ich habe auch noch andere Freunde! – Doch als ich mich bei Skype anmeldete erhielt ich augenblicklich eine Nachricht:
Israeli Ninjaan, how are u?
10 Tage nach meiner ersten Nachricht erhielt ich nun das. Ich war wütend, mein Kopf von der Hitze benebelt und mein Gesicht von der Sonne verbrannt. Ich bemühte mich gelassen zu sein, konnte mir aber eine bissige Bemerkung nicht verkneifen und nach wenigen Sekunden befanden wir uns in einem unserer altbekannten Streitgespräche. Er erklärte sich, ich wank ab, verspürte nicht den Drang nach einer Diskussion – er anscheinend schon. So bat ich ihn genervt, doch die Sache nun zu vergessen, da ich im Urlaub sei und keine Lust auf so etwas hätte. Durch diese Worte angestachelt war er gerade dabei richtig loszulegen, als ich ihn einfach anrief, einfach den Knopf „Videoanruf“ drückte und abwartete. Was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, ich kann es nicht erklären, ich hoffte einfach auf ein schnelleres Ende, würden wir sprechen statt schreiben.
Ich sah wie er sein geschriebenes wieder löschte und dann erneut ansetzte:
What are u doing? I dont want to talk!
– If u dont pick up the phone, I will never talk to u again!!
Prompt nahm er ab.
Es dauerte ewig bis die Kamera die Videoübertragung startete. Ich starrte mit rotem Gesicht auf den Bildschirm. Da saß er, in einem gelben Tshirt, Teetasse in der einen Hand während er sich mit der anderen nervös durchs Haar fuhr. Er stand noch einmal auf, holte irgendetwas und setzte sich wieder, mit gesenktem Blick.
Ninjaan: Come on Yaya, say it again and look at me!
Yaya: No…I dont want to.
Ninjaan: I am sick of fighting, and we always fight.
Yaya: I dont want to fight.
Ninjaan: Sooo? (lächelnd)
Yaya: Soo…lets stop fighting. (lächelt ebenfalls und sieht endlich in die Kamera)
Wir sehen uns einen Moment schweigend an und müssen beide grinsen. Aber weil ich spürte wie sehr es mir gefällt ihn anzusehen, weil dieses warme Gefühl wieder in mir aufkommt, halte ich das Gespräch kurz und verabschiede mich zum Essen. Sein Versprechen gelte, versicherte er mir. Er solle keine Zicke mehr sein, darum bat ich ihn. Er schüttelte den Kopf: Dito!
Erst als ich in Jerusalem ankomme, schreibt er mir wieder, nur einen Moment, aber ich bin beruhigt, so wie ich es immer war, wenn er wieder nur ein Fünkchen Interesse an mir zeigte. Vergessen war, dass er mich 10 Tage hatte hängen gelassen, dass er meinen Termin in Düsseldorf, wegen meines Doktors, vergessen hatte…und noch so viele andere Dinge, die eben Freunde nicht einfach vergessen sollten.